FÖTED e.V. - Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland e.V.
Begleitung und Unterstützung für Eltern im Berufsbildungsprozess
Deutschland hat ein sehr breites Angebot von schulischen Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen.Gleichzeitig ist es ein sehr komplexes System, aber auch von Ausgrenzungsmechanismen[1]. Die unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen in 16 Bundesländern (z.B. 16 unterschiedliche Schulgesetze) tragen auch nicht zur Vereinfachung bzw. zum leichten Verständnis des Bildungssystems bei der Zielgruppe, d.h. den Eltern sowie Schülerinnen und Schülern bei.
Bildungsgänge im deutschen Bildungssystem
Schematische Darstellung der Bildungsgänge im Deutschen Bildungssystem
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gesamtschule)
Der Faktor „Eltern“
Zu den wichtigsten Personen, die die Kinder und Jugendlichen auf ihrem Bildungs-/Ausbildungsweg begleiten, gehören ihre Eltern. Die Erwartungen an sie, insbesondere bei Übergängen sind hoch, da sie mit ihren Entscheidungen über die Bildungslaufbahn bzw. berufliche Zukunft ihrer Kinder (mit)bestimmen. Eltern sind mit dem „vielgliedrigen“ Bildungssystem jedoch sehr oft überfordert. Dies wird dadurch verstärkt, wenn Eltern ihre schulische Sozialisation/Erfahrungen in anderen Ländern hatten, oder wenn Eltern eher eigenenegative Erfahrungen im deutschen Schulsystem, bzw. keine guten Schul-/Bildungskarrieren haben. So ist oft eine Fokussierung seitens Eltern auf Gymnasium/Abitur vorhanden, auch deshalb, weil Eltern sowie Schülerinnen und Schüler geringe Kenntnisse über die Berufsbildungsmöglichkeiten und Bildungsabschlüssen im deutschen Bildungssystem haben [2].
Die Eltern haben nach den Schulgesetzen der Bundesländer weitgehende Möglichkeiten in der Schule mitzuwirken. Die Schulgesetze der Bundesländer verweisen darauf, dass die Schule „bei der Erfüllung ihres Auftrags das verfassungsmäßige Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mitzubestimmen, zu achten und zu berücksichtigen“[3] soll. Die Beteiligung der Eltern in der Schule wird u.a. über unterschiedliche Gremien wie Klassenelternvertretung, Klassenelternkonferenzen, Elternbeirat, Schulrat, Schulbeirat, Schulforum, Schulkonferenz[4] ermöglicht. Die Eltern nehmen diese Aufgaben in den verschiedenen Schulgremien ehrenamtlich wahr. Die tatsächliche Wahrnehmung bzw. Umsetzung dieser Rechte hängt sehr oft vom Engagement der Eltern bzw. der Unterstützung seitens der Schuleab, ob Eltern aktiv eingeladen werden, sich in der Schule einzubringen.Je mehr Eltern über ihre Rechte und Pflichten in der Schule informiert und aufgeklärt sind, desto höher ist auch ihre aktive Beteiligung im Schulalltag[5]. Dies gilt auch in besonderem Maße für die schulischen Übergänge. Aus diesem Grund ist eine stetige und qualifizierte Begleitung und Information der Eltern im Laufe des Bildungsweges ihrer Kinder notwendig.
Weiterentwicklung von Unterstützungsangeboten für Eltern in der Berufsorientierung
Für Eltern gibt es eine Reihe von Informations- und Beratungsangeboten (durch Berater_innen, Broschüren, Websites u.ä.). Diese setzen i.d.R. in der Sekundarstufe ab der 9. Klasse an und beinhalten eher punktuelle Beratung und Information (z.B., wenn es um Schülerpraktika geht oder eine Orientierung nach dem Mittleren Schulabschluss notwendig wird).
Das bundesweite Transferprojekt „Interkulturelle Netzwerke – Bildungsbeauftragte für junge Menschen“ setzt in diesem Zusammenhang neue Maßstäbe, da die einzelnen (ehrenamtlichen) Bildungsbeauftragten in den Migrantenorganisationenden Eltern und den Jugendlichen wichtige (landesspezifische) Informationen zur beruflichen Bildung nahebringen, gleichzeitig aber durch ein bundesweites Netzwerk ein inhaltlicher Austausch und Entwicklung gemeinsamer Strategien ermöglicht wird.
Die Information-, Beratung-, und Begleitungsstrukturen für Eltern sollten jedoch frühzeitig, nach Möglichkeit schon in der Grundschule einsetzen. Diese müssten als ständiges Angebot, d.h. hauptamtlich (an den Schulen -oder in ihrer Nähe- installiert werden) und nicht Form von zeitlich begrenzten Projekten) um Eltern (sowie die Schülerinnen und Schüler) zeit- und ortsnahe zur Verfügung zu stehen[6] und müssten u.a. mit den (ehrenamtlichen) Bildungsbeauftragtender Migrantenorganisationen kooperieren.Nur mit einer Kombination von verlässlichen Hauptamtlichen und engagierten Ehrenamtlichen, kann m.E. eine zukunftsweisende Aufklärung, Begleitung und Unterstützung der Eltern im Bereich der (Aus-)Bildung verwirklicht werden.
Dr. Mehmet Alpbek
Stand: 05.06.2015
[1]Die Dreigliedrigkeit nach der Grundschule ist einer wesentlichen Gründe für Ungleichheit bzw. Diskriminierung im deutschen Schulsystem (was jedoch tatsächlich „vielgliedrig ist, wenn Neben der Haupt-, Realschule und dem Gymnasium, u.a. die Sonder-/Förderschulen, sowie die unterschiedlichen Berufsschulformen hinzugerechnet werden). Dass das „dreigliedrige Schulsystem“ Kinder aus sozial schwachen Familien, behinderte Kinder sowie Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt, wurde spätestens mit der UN-Studie/ Munoz-Bericht/2007, bestätigt.
[2] Im Bundesland Berlin gibt es z.B. sechs unterschiedliche Möglichkeiten schulischer /Berufsbildungs- Abschlussmöglichkeiten, die über 11 verschiedenen Schulformen/Bildungsgängen/Qualifizierungsmaßnahmen erreicht werden können. Quelle: http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bildung/bildungswege/berufliche_bildung/kooperationen_osz.pdf?start&ts=1433418208&file=kooperationen_osz.pdf
[3]Siehe hierzuArtikel 6 Abs. 2 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
[4] Die Bezeichnung der Elterngremien kann von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein.
[5] Der Verfasser hat lange Jahre mit Eltern in Berliner Schulen zusammengearbeitet (u.a. durch Entwicklung und Durchführung von Schulungsprogrammen für Eltern und Multiplikator_innen sowie durch Leitung von Elternlotsenprojekten).
[6]Über das Projekt „Interkulturelle Netzwerke – Bildungsbeauftragte für junge Menschen“ gibt es einPotential, das hierfür eingesetzt werden könnte. Im Rahmen des Projekts werden ehrenamtliche Bildungsbeauftragte (über die Migrantenorganisationen) qualifiziert, um junge Menschen„in den Bereichen Übergang von der Schule in Ausbildung sowie beim Nachholen eines Ausbildungsabschlusses durch Nachqualifizierung“ zu informieren und zu begleiten.